Sehr geehrte Damen und Herren,
"Abmahnen" oder "Sofort kündigen" - sicherlich kennen Sie diese Forderungen oder haben sie bereits oft genug gehört, wenn Fehler im Unternehmen passieren. Oft kommen diese Forderungen nicht einmal direkt aus der Unternehmensleitung, sondern aus der mittleren Führungsebene, manchmal von Arbeitskollegen oder gar von Ihren Kunden selbst.
Natürlich gibt es Situationen, in denen eine Abmahnung oder Kündigung notwendig ist, z.B. bei Rechtsverstößen wie Diebstahl, Veruntreuung, Unterschlagung oder ähnlichen Vergehen.
Aber oft ist es doch so, dass einfach ein Fehler gemacht wurde. Das Brot ist vielleicht verbrannt, die Brötchen zu dunkel, die Verkäuferin war zu unhöflich, der Fahrer zu rustikal oder schusselig - kurz: es menschelt im Unternehmen, und nicht jeder ist jeden Tag gleich gut aufgelegt und konzentriert bei der Arbeit. Und dennoch werden immer mal wieder "Konsequenzen" gefordert.
Warum ist das so, obwohl es inzwischen genügend wissenschaftliche Studien gibt, die eine solch radikale "Bestrafungs-Mentalität" als wenig motivierend einstufen? Ist es ein Bedürfnis, den Missetäter bestraft zu wissen - egal um welchen Preis?
Es hilft, bevor man zu solch einer Maßnahme greift, kurz darüber nachzudenken, wie es sein könnte, wenn man selbst der Betroffene wäre. Würde man diesen Maßstab dann auch an sich angelegt wissen wollen?
Wir sind meist recht schnell dabei, hehre Maßstäbe mit hoher Moral an andere anzulegen, aber sind wir auch bereit, diese Maßstäbe an uns selbst anlegen zu lassen - mit den daraus resultierenden Konsequenzen?
Zu einem guten Umgang mit Fehlern und Missgriffen gehört eine qualifizierte Entschuldigung, die Einsicht und Veränderung signalisiert, sowie eine adäquate Wiedergutmachung als Ausgleich für den verursachten Schaden, unabhängig davon, ob es sich um einen materiellen oder emotionalen Schaden handelt - wobei letzterer viel schwieriger zu beseitigen ist als ein finanzieller Schaden. Emotionale Schäden können nur beseitigt werden, wenn der Geschädigte bereit ist, dem Verursacher zu verzeihen. In der Methodik der Streitschlichtung nennt sich diese Vorgehensweise "Täter-Opfer-Ausgleich" . Der "Täter" sorgt für einen angemessenen Ausgleich, mit dem sich das "Opfer" einverstanden erklärt. Dies ist nicht immer einfach, denn dies erfordert oft ein unverdientes Maß an Güte und beinhaltet gleichzeitig Respekt und Wertschätzung - und trotzdem gelingt das meist ganz gut.
Ein bisschen mehr Güte und Verzeihen untereinander erleichtern die Zusammenarbeit und das Miteinander mehr als eine emotional geforderte Bestrafung. Dies ist sicherlich nicht immer leicht umzusetzen, aber es lohnt sich, mit Augenmaß und dem Blick auf sich selbst, Fehler und deren Konsequenzen etwas sanfter zu bewerten.
Mit freundlichen Grüßen